Article Number: 335
Hard Cover, German, Staple Binding, 223 Pages, 2005, b_books
Helmut Draxler

Die Gewalt des Zusammenhangs/Coercing Constellations

Raum, Referenz und Repräsentation bei Fareed Armaly

availability unknown, if interested please write an email

Der substantialisierte Kunstbegriff, der von einer „Kunst“ anstatt von den verschiedenen Künsten im Sinne konkreter Fertigkeiten ausgeht, entsteht im 18. Jahrhundert.

Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts wird die Idee der Substanz der Kunst wie auch die Idee künstlerischer Autonomie immer wieder äußerst produktiv in Frage gestellt. Es sei aber gerade der substantialisierte Kunstbegriff, so Draxler nun, unter dessen Voraussetzung eine „Entgrenzung“ der Kunst aus ihren tradierten Formen und Erscheinungsweisen stattfinden kann. Marcel Duchamps Readymade und Joseph Beuys’„Erweiterter Kunstbegriff“ wären ohne den übergeordneten Anspruch, den Kunst auf ein unauflösbares Substanzielles erhebt, nicht denkbar und bleiben ihm kategorial verhaftet. „Der neue Kunstbegriff, den Paul Valéry, Walter Benjaminund Joseph Beuys reklamierten, ist über zweihundert Jahre alt; er bedeutet, dass man heute nicht einfach Maler oder Bildhauer ist, sondern Künstler und auch als solcher malt, Bildwerke fertigt oder aber auch Videos installiert, fotografiert oder einfach nur nachdenkt.“ (Gefährliche Substanzen) Statt also den substantialisierten Kunstbegriff erneut zu verabschieden, plädiert Draxler für seine Inanspruchnahme und formuliert die „gefährliche“ These, wonach sich die Substanz der Kunst heute, nach zweieinhalb Jahrhunderten Begriffs- und Institutionsgeschichte, keineswegs überholt habe. Vielmehr finde sich diese konkretisiert – und zwar paradoxer Weise gerade im Geflecht ihrer relationalen Verweise, ihrer selbstreflexiven Strategien und ihrer diskursiven Besprechungen, das heißt in den Rückkopplungen zwischen Ausstellungs-, Vermarktungs-, Kritik- und Produktionspraxis. Die Substanz der Kunst, so könnte man schließen, reproduziert sich inzwischen ganz von selbst, medial (reflexiv) durch tausend Bezüge und im Spiel der sozialen Verhältnisformen ihrer Protagonisten (player) und im Grunde sogar ganz gut auch ohne neue Setzungen. Hierin zeigt sich möglicherweise das Obsoletwerden eines älteren, mit Genie- und Autonomievorstellungen beladenen Substanzbegriffs. Die „Kunst“ ist gewissermaßen zu ihrem eigenen Fluchtpunkt geworden, ihrer medialisierten Substanz kann sie nur noch hinterher laufen. Diskurse, Institutionen und Medien greifen ineinander und produzieren damit „Effekte, die sie nicht unbedingt intendieren und meist als unhinterfragbare Voraussetzungen naturalisieren“. Sie stellen ihre „eigene apparathafte Realität her, anstatt der Wahrheit der Kunst produzieren sie Wahrheitseffekte, statt der Absolutheit des Anspruchs zeigen sie die Relativität von Prozessen, anstelle von Einheit und Überzeitlichkeit sehr spezifische, moderne Formen von vielfach mediatisierten Erfahrungshorizonten.“

Beide Bücher sind von Draxler nicht in einem Zusammenhang publiziert worden – es liegt jedoch nahe, die behauptete „gefährliche“ These ganz unmittelbar im Werk von Fareed Armarly vollzogen zu sehen. Denn die Aufhebung einer Ausstellungseröffnung zielt möglicherweise nicht nur auf die „kulturelle Grammatik“ der Eröffnung als Happening, wie es Draxler nahe legt, sondern auf die „kulturelle Grammatik“ von „Kunst“ allgemein. Armalys Ausstellungen bewegen sich nämlich ganz und gar in jenem Medium vielfältiger Referenzialiät und relationaler Austauschverhältnisse, in dem sich nach Draxler die Substanz der Kunst äußert. Ihr Gefährliches läge dann darin, dass sich die „Kunst“ im Medium ihrer mediatisierten Substanz verflüchtigt.