In Algerien
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Die Fotografien Pierre Bourdieus sind vor allem das Ergebnis wissenschaftlicher Arbeit, in diesem Sinne sind sie in einem konstruktiven Zusammenhang mit den zeitgleich entstandenen Texten zu sehen, und stehen damit in einem Kontext, sind historisch und thematisch gerahmt.
Am Beginn unserer Arbeit stand die Aufgabe, die fotografischen Dokumentationen auf Zusammenhänge hin zu untersuchen, die Pierre Bourdieu in seinen Schriften analysiert. Wir haben das Archiv Pierre Bourdieus und alle Gegebenheiten dieser Sammlung von Negativen und Abzügen, Kommentaren und auch die Sammlung von Skizzen in den »fiches d’Algérie« (Notizensammlung aus Algerien) im Kontext der Studien Bourdieus zu lesen versucht. Von Pierre Bourdieu selbst stammen bereits Entwürfe, Bilder mit Texten zu kombinieren, an denen wir uns orientieren konnten.
Die nun erstmals um ihre fotografische Komponente ergänzten wegweisenden Feldforschungen Bourdieus in Algerien, bei denen Ethnologie, Anthropologie und Soziologie untrennbar miteinander einhergehen und die Bourdieu als sein »zugleich frühestes und aktuellstes Werk« bezeichnete, bieten Einblick in den Status nascendi der Bourdieu’schen Soziologie in all ihren elementaren Formen und Gehalten. Neben dieser werkgeschichtlichen Dimension und weit über sie hinausgehend, bleibt dem fotografischen Werk Bourdieus aber auch der Charakter eines beeindruckenden soziohistorischen Bildmaterials. Liest man Bourdieus Fotos im Wechsel mit seinen Texten aus dieser Zeit so findet man in den vorliegenden Fotografien ein reiches Anschauungsmaterial des Habitus und Ethos des vormodernen Menschen und der ihm eigenen Würde.
Bourdieus soziologische und fotografische Arbeit in Algerien zeugt von einer gesellschaftlichen Welt voller Ungleichzeitigkeiten, deren Menschen auch heute noch nicht ihre Heimatlosigkeit und Entwurzelung – eine Entfremdung gegenüber Tradition und Moderne zugleich – überwunden haben. Vielleicht liegt die in Bourdieus Fotografien zum Ausdruck kommende Tragik Algeriens ja gerade darin, dass sie auch nach vier Jahrzehnten nichts an Aktualität und Realismus eingebüsst zu haben scheinen.
Sprache: Deutsch