
Stickschriften
Rare BookStickschriften von Musterbüchern aus drei Jahrhunderten. Ein einzigartiger Einblick in ein besonderes Kapitel der Schrift- wie der Sozialgeschichte. »In den Warteräumen weiblicher Lebensläufe des 19. Jahrhunderts ist das Handarbeiten die bevorzugte Stillbeschäftigung. Stickend und häkelnd verschönert die Frau die häusliche Sphäre, auf die sie für alle Zeiten abonniert ist. Sie beugt sich über ein Stück Stoff, oftmals nicht größer als ein Taschentuch, ihr Bewegungsradius und ihre Aufmerksamkeit sind reduziert auf das Zusammenspiel zwischen den Händen, die die Nadel führen und den Augen, die die fadendünnen Abstände messen und die Einstichstellen sondieren.«
Eine Mustersammlung. werden auf sieben Faltblättern insgesamt 60 Schriftproben präsentiert. Diese Beispiele wurden von Janine Thaler an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig zusammengetragen und digitalisiert.
Ergänzt werden die Faltblätter durch ein Leseheft mit dem Titel Gestickte Schrift. Zwanzig Stichpunkte zur Geschichte einer textilen Schreibtechnik. Auf 64 Seiten beleuchtet der Autor Jan Wenzel darin verschiedene Aspekte der Kulturgeschichte des Stickens im Allgemeinen und die der damit geschaffenen Buchstaben im Speziellen.
Stickmustertücher sind im europäischen Raum seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Neben geometrischen und figürlichen Mustern tragen diese Handarbeitsproben stets auch Buchstaben oder Ziffern; im norddeutschen Raum heißen sie deshalb auch ›Letterlap‹. Zunächst fungierten sie als wild wachsende, notizbuchartige Arbeitsressource, ab dem 18. Jahrhundert wurden ihre Motive als Gesamtbild konzipiert, das die Kunstfertigkeit und Meisterschaft der Stickerin belegen sollte. Später war das Besticken eines Mustertuchs dann fester Unterrichtsbestandteil an den Industrieschulen für Mädchen.
Auch gedruckte Vorlagen zum Nachsticken sind schon sehr früh nachweisbar. Um 1523 erschien in Augsburg ein von Hans Schönsperger gedrucktes Furm- oder Modelbüchlein. Er lässt diesem weitere Bücher folgen, in denen verschiedene Buchstabenformen präsentiert werden; zur leichteren Übertragung sind manche Schriftmuster dort bereits auf einem Grundnetz stehend abgebildet.