Magazine, German, Glue Binding, 312 Pages, 2000
Texte zur Kunst - Heft 37 (März 2000)
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Trotz ihrer fortgeschrittenen Institutionalisierung steht „Performance" nach wie vor für eine schillernde Kunstform. Gleichwohl vermag der Begriff auch Abwehr zu provozieren.
Gründe für solches Unbehagen können darin liegen, dass Performances mit „Erfahrung", „Singularität" oder „Authentizität" konnotiert sind. Andererseits gibt es viele Künstler/innen — auch solche, bei denen man es nicht vermutet —, für die eine Auseinandersetzung mit Performance nach wie vor die Möglichkeit einer Positionierung bedeutet.Das gegenwärtige Interesse an Performance ist sicher auch der Sehnsucht nach Stars und nach persönlicher Präsenz von Künstler/innen zuzuschreiben. Die Wiederaufwertung von Autorschaft hat ebenso wie der Siegeszug der „Popkultur" zu neuen Inszenierungen und Aneignungen des Künstler/Innen Status geführt, etwa zur Künstlerin/dem Künstler als DJ und umgekehrt.Vor dem Hintergrund kulturpolitischer und ökonomischer Veränderungen lassen sich aber auch kritische Rekonstruktionen von Autorschaft beobachten. In diesem Zusammenhang spielt die Praxis der Performance eine symptomatische Rolle, lässt sie sich doch nicht automatisch auf ein biografisches Subjekt reduzieren: Indem Sie individuelle Körper öffentlich als Material zum Einsatz bringt, leistet die Performance eine spezifische Anerkennung ihrer diskursiven Verstricktheit. Man braucht nur an Künstler/innen wie Adrian Piper oder Mike Kelley zu denken, um sich von einem begrenzten Bild der Performance-Kunst zu lösen.Um spezifische Momente von Performance-Konzepten ging es uns in einer Reihe von Interviews, vor allem Im Hinblick auf künstlerisches Selbstverständnis. Divergierende Auffassungen, wie sie die Gespräche dokumentieren. finden sich ebenso in neueren Theoriebildungen: Den dekonstruktivistischen Ansatz von Peggy Phelan stellt Eckhard Schumacher in seinem Beitrag zu aktuellen Performance-Theorien der medientheoretischen Analyse Philip Auslanders gegenüber Nicht nur an diesem Vergleich zeigt sich. dass das Genre Performance in den letzten Jahren einen kräftigen Theorieschub erhalten hat. Im Unterschied zur anthropologischen Ausrichtung von Richard Schechner und Victor Turner hat Sich mit der Deklaration eines „performative turn" die epistemologische Wahrnehmung dieser Kunstform verändert. Da zahlreiche Künstler/Innen in der Performance gesellschaftliche Zwänge und künstlerische Normen reflektieren, betrachten viele Autor/innen die Auftritte Im Sinne Judith Butlers mit der Kategorie des Performativen. Obwohl Butler die Idee der Performativität ausdrücklich vom Kontext theatraler Performances abgrenzt, werden Performance und Performativitätoftmals in einem Atemzug genannt: Performance ist gerade im Zusammenhang mit der Drag-Kultur zu einem gendertheoretischen Schlüsselwort geworden. So auch im Fall von Judith Halberstam, die in ihrem Buch „Female Masculinity" die These vertritt, dass Männlichkeit im Unterschied zu allen anderen Formen von Geschlechtsidenutäten eine nach wie vor naturalisierte Kategorie sei. Tragende Figuren ihrer Argumentation sind die Drag Kings — weibliche Performerinnen. die ihre eigene Männlichkeit performativ produzieren. Über die Möglichkeiten der Denaturalisierung von Männlichkeit führten Juliane Rebentisch und Marc Siegel mit Judith Halberstam ein ausführliches Gespräch. Die Transitivität von Geschlechtlichkeit thematisiert auch der Beitrag von Tom Holert, allerdings in einem ganz anderen Zusammenhang. Aus Anlass zweier neuer Veröffentlichungen über „Performance", einen Film von Donald Cammell und Nicolas Roeg, beleuchtet Holert changierende Darstellungen von Identität innerhalb eines „kriminellen Milieus".Um das Spiel mit Authentizität und Autorschaft. in dem sich sozialer Kontext, Starprinzip und Fanproduktion vermischen, geht es in Isabelle Graws Überlegungen zu den Musik-Videoclips von Smoczek Policzek. Sabeth Buchmann widmet sich eingehend der künstlerischen Vorgehensweise von Judith Hopf, die die Dialektiken von Autorschaft und Vermittlung auf aktuelle Ausstellungskonventionen bezieht.Ein zweiter Themenschwerpunkt dieser Ausgabe setzt sich mit der frappierenden Häufung „nationalbewusst" auftretender Ausstellungen und Veröffentlichungen zur Jahrtausendwende auseinander. Susanne von Falkenhausen übt eine kunsthistorisch wie kulturpolitisch komplexe Kritik an dem Ausstellungsprojekt „das xx. jahrhundert — ein jahrhundert kunst in deutschland". Ihr Beitrag wird ergänzt durch Michael Wetzels Besprechung der Publikation „Identität im Zweifel" von Hans Belting, dessen „Ansichten der deutschen Kunst" Widerspruch provozierten. Auch bei der Wolfsburger Ausstellung „German Open" war der Flirt mit nationaler Rhetorik offenkundig. Über die Art und Weise, Wie hier „junge deutsche Kunst" international in Szene gesetzt werden sollte, unterhielten sich Andreas Siekmann und Clemens Krümmel bei einem Ausstellungsrundgang. Das Shortcut-Doppel wird flankiert von Statements beteiligter Künstler/Innen, die sich zu materiellen Rahmenbedingungen des ehrgeizigen Unternehmens äußern. (Editorial) Sprache: Deutsch/Englisch