Article Number: 11090
Magazine, English, Glue Binding, 257 Pages, 2017, Texte zur Kunst
Bini Adamczak, Klaus Biesenbach, et al.

Texte zur Kunst - HEFT NR. 107 / SEPTEMBER 2017 „IDENTITÄTSPOLITIK HEUTE“

€ 36.00

„Identitätspolitiken“ waren einmal ein wichtiges Instrument für die Kritik von Strukturen der Exklusion.

Heute sind die „Identity Politics“ indes zu einem stark umstrittenen Begriff geworden. Und doch nehmen wir ihn hier als Thema unserer Septemberausgabe. Während das Problem der Identität in dieser Zeitschrift seit ihrer Gründung im Jahr 1990 thematisiert wurde, hat sich die Debatte über den Begriff intensiviert und haben sich neue Frontlinien etabliert (in den USA nicht zuletzt seit der Wahl von Trump).

Zu den wichtigsten Veränderungen, die wir feststellen, zählt die Art und Weise, wie identitätspolitische Forderungen heute artikuliert werden. Ging es früher darum, sich mit seiner Community zu verbinden, um etwa als Gruppe Schwarzer amerikanischer Autorinnen oder queerer Performancekünstler Sichtbarkeit zu erlangen, geht die Tendenz dahin, dass man seine Zugehörigkeit zu verschiedenen nichtdominanten Gruppen darauf verwendet, individuell sichtbarer aus der Masse herauszuragen (als Beispiel hierfür kann der rechtspopulistische britische Journalist Milo Yiannopoulos gelten, der seine Identität als schwul benutzt, um seine Aussagen zu legitimieren). In dieser Ausgabe von Texte zur Kunst untersuchen wir, wie es zu dieser Verschiebung kam.

Die Kommodifizierung von Identität in der Massenkultur (wie im Kunstmarkt) sehen wir als eine herausragende Ursache dafür. Eine historische Herleitung der Identitätspolitik kommt in diesem Zusammenhang von Coco Fusco, die auf ihre persönliche Geschichte seit den 1980er Jahren mit der Entwicklung dieser Debatte, zurückblickt. Sie differenziert zwischen heutigen Identitätsansprüchen und denen aus früheren Jahrzehnten, indem sie herausarbeitet, dass es heute vornehmlich darum geht, existierende Strukturen zu stabilisieren. Das Bestreben, diese aufzubrechen, ist in den Hintergrund getreten. Fusco macht eine weitere Verschiebung in unserem Verständnis von „Identitätspolitiken“ aus: Heute sind es Individuen – und nicht Gemeinschaften oder Systeme, durch die Individuen bestimmt werden –, an denen man Verantwortung ablädt oder Erfolg festmacht.

Language: German / English