Article Number: 5276
Hard Cover, German, Thread Stitching, 48 Pages, 2012, Grafische Werkstatt im Traklhaus Salzburg
Anton Drioli

Widmungen

availability unknown, if interested please write an email

Edition. „Als wir beim zweiten Glas Wein saßen, verließ der Chefredakteur des „Salzburger Volksblatts“, der liberale und kunstsinnige Rudolf von Freysauff, nachdem er seinem Namen an diesem Nachmittag bereits einige Ehre einzulegen versucht hatte, das Lokal, nicht ohne meinem Gegenüber zuzurufen: „Durchhalten, Drioli!“

Dieser registrierte die Aufmunterung mit dem freundlich abweisenden, ein wenig wehmütigen Lächeln, das ich von ihm kannte, und erklärte mir, dass Kasimir Malewitsch in Russland eben dabei sei, den Suprematismus zu erfinden, eine Malerei, die die Dinge immer weiter reduzierte und reduzierte, bis sie bei deren Extrakt angekommen zu sein glaubte. Hier irrt Genosse Malewitsch, meinte Drioli, und ich werde es ihm eines Tages auch anschaulich vor Augen führen!
Wir tranken weiter, und Drioli unterrichtete mich davon, dass in Holland Piet Mondrian begonnen habe, die Malerei neben der Arithmetik und der Geometrie als dritte Disziplin der Mathematik zu konzipieren, was ihm als interessantes Missverständnis erscheine. Bald danach verließen wir die Goldene Birne und gingen über den Ludwig-Viktor Platz, von dem Drioli ernsthaft behauptete, dass keine zehn Jahre vergehen würden, bis er Alter Markt heißen werde, zum Universitätsplatz, den gerade bimmelnd die elektrische Straßenbahn durchquerte. Du musst wissen, sagte Drioli, dass René Magritte heuer erst vierzehn wird, aber in Brüssel schon dabei ist, über den Unterschied von Bild und Wirklichkeit nachzusinnen. Aha, sagte ich, aber er achtete nicht auf den Unterton, in dem ich es tat, und fuhr fort: Und Andy Warhol, der Meister, der uns zeigen wird, dass die Oberfläche nichts ist als die Oberfläche und sich unter ihr kein Geheimnis verbirgt, Warhol wird überhaupt erst ziemlich genau in sechzehn Jahren geboren werden, in den USA, als Kind bitterarmer Einwanderer aus einem Kaff in den Karpaten namens Medzilaborce.
Im selben Jahr wie Yves Klein übrigens, der sich sein besonderes, leicht rotstichiges Ultramarinblau patentieren lassen und schon mit 34 Jahren sterben wird. Wir zogen weiter zur Pferdeschwemme, da deutete mein wunderlicher Begleiter auf den düsteren Kasten der Artilleriekaserne gegenüber, der in die einstigen erzbischöflichen Hofstallungen hineingesetzt war. Kaum zu glauben, sagte Drioli, dass es nicht einmal zehn Jahre brauchen wird, bis es keine k.u.k. Monarchie und also auch keine k.u.k. Artillerie mehr geben wird und ausgerechnet in diese Kaserne die Salzburger Festspiele einziehen werden, die heute noch gar nicht erfunden sind. Ja, Drioli, sagte ich, kaum zu glauben.“

Quelle: Karl-Markus Gauss

Beilage zur Vorzugsausgabe: Tuschelithografie von Anton Drioli (Steindruck von der Handpresse) 2 Farben von einem Stein auf Fabriano Rosa Spina 280 gr/m²; 60% Baumwolle, vom Rundsieb geschöpft, ph-neutral, alkalisch gepuffert, vier Schnittkanten im Format 23 x 17 cm. Auflage 33 (arabisch nummeriert), 2 Künstlerexemplare (Á.P.), ein Werkstattexemplar (Werkstatt). Drucker: Martin Gredler. Gezeichnet: August 2012.

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